Es wird oft nach einem Schuldigen gesucht. Im Fußball etwa ist nach einer Niederlagenserie der Trainer schuld an der Performance der Mannschaft. Manchmal hat auch der Rasen Schuld an einem schlechten Spiel: Zu sandig, zu hart, zu stumpf oder zu holprig war er dann. Und natürlich haben oft auch die Schiedsrichter Schuld an einem verlorenen Spiel. In einem Unternehmen werden Mitarbeiter entlassen, wenn die Zahlen nicht stimmen. Die Angestellten oder Arbeiter sind schuld, weil sie zu viel kosten.
In der Psychiatrie finden wir vor allem Menschen, die von Schuldgefühlen geplagt sind. Das kann so weit gehen, dass sie keinen Ausweg im Leben mehr sehen. Ständiges Grübeln über die Frage, was richtig und was falsch sei, bestimmt das Denken. Einhergehend mit dem Gefühl, schlecht oder minderwertig zu sein. Das Schuldgefühl ist keine eigene Erkrankung, sondern ein Symptom, das bei verschiedenen psychischen Störungen auftritt. So zeigen Personen mit einem an sich stabilen Selbstwertgefühl in depressiven Phasen Selbstzweifel und Schuldgefühle. Die Vergangenheit wird in diesen Phasen oft verzerrt erinnert. Lang vergessen geglaubte und abgehackte Unkorrektheiten tauchen wieder auf und werden nachträglich als kaum zu ertragende Schuld wahrgenommen. Ein nicht gehaltenes Versprechen, eine Untreue und auch frühere Geldschulden können in der Depression zu einem erdrückenden Schuldgefühl werden. Das kann sich bis zu einem ausgesprochenen Wahn steigern.
Ein Schuldwahn ist nicht korrigierbar, das Denken ist davon voll und ganz dominiert. Außenstehende können dem Betroffenen noch so glaubwürdig versichern, dass es die Schuld nicht gibt, der Schuldwahnhafte wird ihnen nicht glauben. Er ist der krankhaften Überzeugung, sich versündigt oder etwas Unverzeihliches getan zu haben. Bei einer anderen Form des Wahns, dem Verarmungswahn, gibt es die Überzeugung, nicht genügend finanzielle Mittel zu haben, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Im Sport trifft man auf die Schuld auch über einen anderen Weg, den Perfektionismus. Perfektionistische Menschen haben ein ausgeprägtes Schuldbewusstsein. Der Perfektionismus ist der – angestrengte und dysfunktionale – Versuch, der Schuld zu entkommen. Wenn ich nur alles perfekt und richtig mache, kann mir keiner einen Vorwurf machen. Perfektionistische Trainer, die es in letzter Zeit immer häufiger gibt, bewegen sich durch diese Anspruchshaltung ständig an der Grenze zum Burn-out.
Menschen, die frei von Schuld sind, gibt es aber auch. Personen mit einer sogenannten dissozialen Persönlichkeitsstörung zählen dazu. Im zwischenmenschlichen Kontakt fallen sie durch ihre Unzuverlässigkeit auf, sie versuchen, andere Menschen zu manipulieren und auszunutzen. Es fehlt ihnen an Schuld- und Unrechtsbewusstsein, aber auch an der Fähigkeit, aus negativer Erfahrung zu lernen.