Es gibt nur wenige Spieler, die zur Weltmeisterschaft mit dem Bus oder mit dem Privat-Pkw anreisen. Die meisten nehmen das Flugzeug. Manche Kicker kommen aber gar nicht, besonders jene, die unter Flugangst leiden.

Für einige Fußballer ist ein Vulkanausbruch ein Segen. Besonders dann, wenn der gesamte Flugverkehr durch die ausgestoßene Aschewolke lahmgelegt wird. Dann fahren die Barcelona-Spieler zum Champions-League-Halbfinale mit dem Bus nach Mailand, und die Franzosen kommen mit Minivans von Lyon nach München.
Einer, dem eine solche Aschewolkenentwicklung besonders gut gefallen hätte, ist der Bergkamp Dennis. Der ehemalige Arsenal-Spieler leidet bekanntermaßen an Flugangst, und viele seiner Europacupauswärtsmatches konnte er daher nicht bestreiten. Begonnen habe Bergkamps Furcht vor dem Fliegen bei der Weltmeisterschaft 1994 in den USA. Bei einem Flug mit der niederländischen Nationalmannschaft sei es zu heftigen Turbulenzen gekommen. Der Niederländer mied daraufhin Flugzeuge wie der Teufel das Weihwasser.
Ähnliches berichtet der Guerrero Paolo. Beim Rückflug von einem Europacupmatch mit dem HSV musste die Maschine wegen austretender Hydraulikflüssigkeit zwischenlanden. Guerrero, der immer schon mit einem mulmigen Gefühl den Flieger betreten hatte, dekompensierte daraufhin vollkommen.
Der Peruaner beschreibt seine Angstzustände wie folgt: »Ich fühle mich nervös, muss sogar schreien, wenn sich das Flugzeug turbulent bewegt.« So kam es, dass der Stürmer heuer erst drei Monate später als geplant von einem Reha-Aufenthalt in Peru nach Hamburg zurückkehrte.

Höhen und Tiefen

Die Flugangst ist ein Graus. Psychiater zählen sie zu den spezifischen Phobien. Typischerweise rufen hierbei eigentlich ungefährliche Situationen starke Ängste hervor. Dazu zählen neben der Flugangst auch die Höhenangst, die Tierangst, die Angst vor Donner und Dunkelheit, die Angst vor dem Urinieren oder Defäkieren auf öffentlichen Toiletten und ähnliche Phobien. Die auslösende Situation kann zu Panikzuständen mit Herzrasen, Atemnot, Schwindel und der Angst, tot umzufallen, führen. Kein Wunder, dass der Betroffene solche Situationen möglichst meidet. Und so nehmen Menschen mit Flugangst lieber tagelange Busfahrten in Kauf, als in einen Flieger zu steigen.
Damit Kicker mit Flugphobie aber trotzdem rechtzeitig zu den Auswärtsspielen kommen, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Sie können sich mit Tranquilizern vollstopfen, um den Flug gut sediert an sich vorüberziehen zu lassen, oder auf den Innsbrucker Psychiater und Verhaltenstherapeuten Dr. Malik Peter hören. Dieser empfiehlt Psychotherapie und steigt mit seinen Patienten zum Abschluss der Therapie in den Flieger – zur Exposition.
»Der Klient lernt, die Angst auszuhalten, und bemerkt, wie diese langsam abnimmt. Wir nennen das Habituation«, erklärt Malik Peter.
Froh und stolz seien die meisten der Flugangstfliegerbesieger, und nur die wenigsten bekämen einen Herzkasperl dabei. Dass eine solche Therapie nachhaltiger ist als eine rein medikamentöse Behandlung, davon ist der Psychiater überzeugt. Es gilt aber auch zu untersuchen, ob neben der Flugangst noch andere psychiatrische Symptome zu erkunden sind, denn nicht selten treten Phobien gemeinsam mit Depressionen auf, die dann ebenfalls zu behandeln sind.
Dem flugängstlichen Kicker kann also meist geholfen werden. Wenn das alles nichts nutzt, so hilft vielleicht ein Stoßgebet gen Himmel, dass der Eyjafjallajökull eine globale Aschewolke speien soll. Die Weltmeisterschaft würde dann wohl an die »Bafana Bafana« gehen.

Erschienen im Fußballmagazin ballesterer