Die englische FA hat als erster Fußballverband die richtigen Lehren aus der abgelaufenen WM gezogen: Bei Kopfverletzungen mit Bewusstseinsverlust darf nicht weitergespielt werden. Der Rest der Welt diskutiert noch – hoffentlich nicht zu lange.

Bei der WM bekamen manche Mannschaften kräftig auf die Nuss: die Italiener und Spanier zum Beispiel, die Engländer traditionell, auch die Brasilianer wurden zumindest metaphorisch abgewatscht. Abseits von jeder Metapher steckten der Deutsche Kramer Christoph, der Uruguayer Perreira Alvaro und der Argentinier Mascherano Javier richtig ein. Perreira spielte nach einer Bewusstlosigkeit weiter, er widersetzte sich der vom Teamarzt empfohlenen Auswechslung. Eine Entscheidung, die er nach einer Gehirnerschütterung gar nicht selber treffen kann. In einem Spital wäre es zumindest so. Auf dem Fußballplatz sind die Regeln anders, und das ist schlecht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das ernsthafte, also tödliche Folgen haben wird.
Dem US-Abgeordneten Pascrell Bill ist das klar. Er schrieb dem Blatter Sepp einen Brief, in dem er ihn aufforderte, Kopfverletzungen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: „Kein Spiel ist so wichtig.“ Wer Spielern die Entscheidung, ob sie nach einem Zusammenstoß weiterspielen, überlässt, nimmt schwere Schäden billigend in Kauf. Etwa durch ein Post Concussion Syndrom (PCS), das bereits nach einer relativ leichten Kopfverletzung auftreten kann und zu monatelangen neuropsychiatrischen Beschwerden führt. Chronische Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Verwirrtheit, Müdigkeit, Gereiztheit, Stimmungsschwankungen, Ängstlichkeit sind einige der Beschwerden, über die Menschen mit einem PCS berichten. Viele sind dadurch über Monate arbeitsunfähig.
Man muss kein Arzt sein, um zu wissen, dass ein Fußballer der im WM-Finale den Referee fragt: „Schiri, ist das das Finale?“, nicht mehr Leistungssport betreiben kann. Kramer wurde, wenn auch viel zu spät, ausgetauscht. Aber es braucht einen unabhängigen Experten an der Seitenlinie, der in einem solchen Fall die Entscheidung trifft, ob der Spieler weitermachen darf. Ähnlich wie im Boxsport. Der Teamarzt kann das nicht leisten, er ist, wie der Name schon sagt, Teil des Teams und vertritt somit eindeutige Interessen.
Die von FIFA-Medizinchef D’Hooghe Michel angestoßene Diskussion um einen vierten Wechselspieler geht an der Sache vorbei. Dadurch wären Kramer, Perreira oder Mascherano keine Minute schneller vom Platz gekommen. Immerhin die FA, der englische Verband, hat reagiert und die Richtlinien bei Kopfverletzungen geändert. So darf ein Kicker sechs Tage nicht spielen, wenn er wegen einer Kopfverletzung das Bewusstsein verloren oder eine Gehirnerschütterung erlitten hat. Die FA startet zudem eine Kampagne, um die Spieler über die Gefahren von Kopfverletzungen aufzuklären. Der englische Fußball wird bei der nächsten WM dadurch nicht besser werden, eine gute Entscheidung für die Zukunft des Fußballs hat die FA dennoch getroffen.

(Dieser Artikel ist auch im Fußballmagazin ballesterer erschienen)